© Jonas Lemminger

Hochtour auf das Sustenhorn

"Wow, schau mal was da kommt!"

24.08.2024

"Wow, schau mal was da kommt!" Vom Hang herunter hörte man ein lautes Knattern die Straße entlangkommen und kurz darauf düste ein Gruppe zerbeulter, alter Vespas schwungvoll um die Kurve und verschwand weiter bergab. 

Es war Samstag der 24. August 2024 und meine Freundin Sabrina und ich standen am Parkplatz Steingletscher in der Nähe des Sustenpasses, von wo aus wir in Kürze zur Tour auf das Sustenhorn starten würden. Während wir darauf warteten, dass alle Teilnehmer eintrudelten bewunderten wir die vielfältigen Autos, Motorräder und Fahrräder, die den Pass hinauf und hinunter fuhren. Das Wetter war einfach perfekt, sonnig, angenehm warm und egal wohin man schaute hatte man die grandiose Schweizer Bergkulisse vor Augen.

Gegen 11 Uhr waren wir komplett und am Parkplatz standen 12 Leute ganz unterschiedlichen Alters und mit verschiedener Bergerfahrung. Einige kannten sich gar nicht oder nur lose, aber es war von Anfang an absolut harmonisch und entspannt, was es auch den Rest der Tour bleiben sollte.

Heute stand der Aufstieg zur Tierberglihütte (2795 m) an, von wo aus wir morgen zum Sustenhorn wollten. Da noch genug Zeit war, gingen wir zunächst ein Stück den Hang hinauf zu einer felsigen Stelle mit Sicherungshaken wo wir noch ein bisschen Spaltenbergung üben wollten. Ich hatte bisher nur die Lose Rolle kennengelernt, die recht kompliziert zu merken war. Jonas, der unseren Tourenleiter machte, zeigte uns nun wie man es viel einfacher mit Traxion oder Spok machen konnte. Das übten wir in mehreren Gruppen, wobei sich immer einer den Fels runter in eine "Spalte" abseilte und die zwei oben ihn wieder rausziehen durften. Das machte Lust auf mehr und so brachen wir eine Weile später freudig zur Tierberglihütte auf. Es ging vorbei an einem Gebirgsbach mit dem üblichen schönen eisblauen Wasser, in der Ferne bimmelten die Kuhglocken und ein Stück weiter oben hatten wir schon eine tolle Aussicht auf unser morgiges Ziel. Ein Teil der Gruppe bog nach einer Weile auf einen Klettersteig ab, aber auch der normale Wanderweg bot einige schöne Möglichkeiten zum Kraxeln. Oben angekommen, bezogen wir gleich unser 12er Zimmer und setzten uns anschließend für das verdiente Radler vor die Hütte. Dort genossen wir die Aussicht über den Steingletscher zum Sustenhorn, Gwächtenhorn und Tierbergli hinauf, wobei die Hüttenhühner zwischen unseren Füßen nach Krümeln suchten. Vor dem Essen hängten wir uns noch mit ein paar Seilen am Geländer auf der Hüttenrückseite ein und übten die Selbstrettung. Am Abend ließen wir uns leckeren Fleischkäse schmecken, während wir Berggeschichten austauschten und die morgige Tour planten. 

Am Sonntag war vormittags Regen angesagt, daher trafen wir uns erst um 7 Uhr zum Frühstück und machten uns anschließend ganz in Ruhe fertig. Als wir vor die Hütte traten, regnete es leider immer noch und in alle Richtungen war nur dichter Nebel zu sehen. Also verschoben wir unseren Start, gingen noch einmal hinein und Jonas machte mit uns ein bisschen Theorie zum Thema T‑Anker. Gegen 10 Uhr hatte der Regen so gut wie aufgehört und wir verteilten uns auf dem Gletscher in unsere drei Seilschaften. Als wir losgingen, war noch alles dicht verhangen und nur weit oben sah man etwas Licht. Das brach jedoch kurze Zeit später auf und bald liefen wir im schönsten Sonnenschein über einen menschenleeren Gletscher. Im Tal blieben den ganzen Tag dichte Wolken hängen, wodurch kaum jemand auf die Hütte kam und außer uns niemand sonst am Berg unterwegs war. 

Wir ließen das Gwächtenhorn zu unserer Rechten und gingen eine leichten Anstieg hoch, wobei wir den ein oder anderen großen Schritt über eine Spalte machen mussten. Danach erreichten wir ein weitläufiges Plateau, das aus lauter kleinen Schneehubbeln bestand. Hier bogen wir nach links ab in Richtung Sustenhorn, dessen Panorama wir nun die ganze Zeit vor uns hatten. Weiter unten sahen wir zur einen Seite den beeindruckenden Kamm der Wendenstöcke aus den Wolken aufragen, so als würden sie in der Luft schweben. Gegenüber erstreckte sich das Gebirge wie in einem Halbkreis vom Gwächtenhorn zum Sustenhorn und gab ab und zu den Blick ins Göschenertal frei. 

Nachdem wir das Plateau überquert hatten ging es zunächst an einer Schneewand entlang hinauf und anschließend weiter über eisigere Passagen unter denen wir das Gletscherwasser plätschern hörten. Kurz vor dem Gipfel hörte der Schnee auf, sodass wir uns aushängten und ohne Steigeisen über Geröll den Rest bis zum Gipfelkreuz wanderten. Nachdem einige große Wolkenfetzten durchgezogen waren, hatten wir eine wunderscherschöne 360° Aussicht und das ganz für uns allein. Wir machten Bilder, Jonas trug uns in das Gipfelbuch ein und wir genossen eine Weile mit Gipfelschoki und Marschtee den Ausblick. 

Auf dem Rückweg wurde es etwas nass an die Füße, da die Sonne wirklich sehr warm schien und kurz vor der Hütte der Gletscher schon gut angetaut war. An manchen Stellen konnte man nicht ausweichen und steckte plötzlich bis zur Wade im Eismatsch, der dann so schön in die warmen Schuhe lief. Es gab jedoch genug Platz zum Trocknen, da wir in der zweiten Nacht fast allein auf der Hütte waren. Da das Wetter am nächsten Morgen gut sein sollte, wollten wir um 4 Uhr Frühstücken und zum Sonnenaufgang auf den ca. 1 Stunden entfernten Vorderen Tierberg auf 3090m zu steigen. 

Die Hüttenhühner schliefen noch, als wir uns auf den Weg machten und mit Stirnlampen an den riesigen Eisspalten vorbeizogen, wo der Gletscher neben der Hütte steil abfällt. Wir schafften es ziemlich genau zum Sonnenaufgang um halb 7 auf dem Gipfel des Tierbergli zu sein, aber die Sonne versteckte sich leider hinter ein paar Wolken. Doch wir konnten das Bergpanorama in der Blauen Stunde bewundern und bestaunen, wie der Nebel im Tal waberte und über die Pässe zog. 

Ein Teil der Gruppe musste etwas früher los und machte sich schon an den Abstieg, während der Rest eine geeignete Stelle auf dem Gletscher suchte, um noch einmal den T‑Anker in der Praxis zu üben. Nachdem alles ordnungsgemäß verbuddelt war, machten wir auch noch die Probe aufs Exempel. Drei von uns spannten sich vor dem Anker ein und zogen, was die Steigeisen hergaben. Aber nichts bewegte sich. Top! Danach übten wir auf dem Eis noch die Abalakov Eissanduhr, bevor wir unser restliches Material auf der Hütte einsammelten. Wir bestaunten noch einmal das ausgeklügelte Toilettensystem der Hütte, wo man sein Werk per Pedal über ein Förderband in das hütteneigene Recyclingsystem abtransportiert. Dann machten wir uns an den Abstieg. Der Hahn krähte uns zum Abschied noch einmal hinterher und auf dem letzten Drittel ließen wir die Sonne hinter uns und tauchten in den Nebel ein. 

Wieder am Fluss angekommen konnten wir entlang des Weges noch ein paar leckere Bergheidelbeeren schnabulieren und waren kurz darauf zurück am Parkplatz. Dort gab es auch eine Käserei mit kleinem Verkauf, wo wir uns noch mit Käse, Wurst und Joghurt eindeckten. Danach verstauten wir unsere Sachen schon einmal im Auto, um anschließend noch einen letzten Umtrunk im Berghotel Steingletscher zu nehmen. Viele ließen sich noch einmal das gute Schweizer Rivella schmecken, wobei ich erfuhr, dass es ganze vier Sorten davon gibt: normales, zuckerfrei, mit Grüntee und vegan. Wieder etwas gelernt. Sowieso finde ich hat man auf der ganzen Tour einiges mitgenommen. Einiges wurde in Theorie und Praxis mal wieder aufgefrischt und ich habe auch ein paar neue spannende Dinge gelernt. Die Tour auf das Sustenhorn hätte man sich außerdem nicht schöner malen können und die ganze Truppe war einfach nur extrem gut drauf. Am Ende hat man mal wieder mit sehr schwerem Herzen die Berge hinter sich gelassen, aber zum Glück warten die dort geduldig bis zum nächsten Mal. Es war mein erster Ausflug mit dem DAV Heilbronn und ich wäre jederzeit wieder dabei. Vielen Dank an Jonas für diese grandiose Tour und dieses tolle Erlebnis. 

Text: Claudia Wabbel